Eine Lübecker Hansekoggeim Maßstab 1:72 - Autor: Ralf Martin

Die Kogge (ursprünglich der Koggen)- Einleitung

Fuer groesseres Bild klicken!Über Koggen weiss man nach wie vor noch bei weitem nicht alles, aber seit 1962 bei Bremen die relativ gut erhaltenen Reste eines heute Kogge genannten Schiffes aus dem Jahre 1380 gefunden wurden, die auch die Grundlage für bisher drei Nachbauten waren, mit denen experimentelle Archäologen das Segel- und Fahrverhalten erproben konnten, gewann man schon einiges mehr an Erkenntnissen.
Weitere vermutliche Koggenfunde aus dem Anfang bis zur Mitte 14. Jahrhunderts in der folgenden Zeit ergaben, dass viele Aussagen der Vergangenheit sich inzwischen als falsch erwiesen, aber immer noch durch die Medien geistern. Insbesondere wurden in der Vergangenheit Schiffstypen als Koggen bezeichnet, die gar keine waren bzw. Konstruktionsmerkmale festgestellt, die oft nicht absolut gültig waren.
Es hat sich inzwischen in unseren Breiten eingebürgert, jedes mittelalterliche Schiffswrack, das nicht nordischen Typs ist, als Kogge zu bezeichnen. In der Zeit ihrer Entstehung wurde der Schiffstyp, der heute Kogge genannt wird, noch nicht einmal so bezeichnet. Auch später wurde der Begriff wohl auf verschiedene Typen von Schiffen (in erster Linie für nach damaligem Verständnis große Schiffe) angewendet.
Das grösste bisher gefundene und heute dem Typ Kogge zugeordnete Fundstück ist die aus dem Jahre 1354 (gefunden 1997 bei der Insel Poel / Mecklenburg) mit einer Länge von 30 m und komplett in Klinkerbauweise ausgeführte sogenannte "Mecklenburger Kogge". Koggen wurden aber sehr viele in sehr unterschiedlichen Gegenden gebaut und waren bis ins Mittelmeer verbreitet, so dass es tatsächlich auch grössere Unterschiede gab und es eigentlich die viel verbreiteten Merkmale einer "reinrassigen" Kogge vielleicht überhaupt nie zusammen an einem Schiff gegeben hat, sondern immer nur jeweils Teilaspekte zutrafen.

Als bestimmende Merkmale einer Kogge gelten in der Literatur im Allgemeinen:

  • Nur ein Mast mit Rahsegel, das Segel wurde mit der Rah gesetzt bzw. geborgen. Dazu diente eine „Bratspill“ genannte Winde, die die Rah mit dem daran befestigten Segel am Mast hoch- bzw. hinunterbewegte.
  • Rumpf mit sehr breiten Planken in Klinkerbauweise (also einander überlappend, nicht glatt aneinander stoßend); spätere Ausführungen (ab Ende 14. Jh.) im unteren Rumpfbereich glatt (kraweel) und nur noch seitlich geklinkert, aber die rein geklinkerte Ausführung wird es parallel auch noch gegeben haben.
  • Die geklinkerten Planken sind untereinander sehr stabil vernagelt (zum Teil mit umgeschlagenen Nägeln) und mit Teer und Moos oder Werg kalfatert (abgedichtet), wobei auch noch zusätzlich Leisten verwendet werden konnten
  • Die Planken waren nicht gestoßen, d.h. die Länge des Schiffs hing somit von der Länge der zur Verfügung stehenden Planken ab.
  • Mehrere starke Querbalken zur Rumpfversteifung, die nach außen über die Bordwand hinausreichen, aber keine Spanten.
  • Eine starke, flache Kielplanke, aber teilweise auch ein ausgeprägter Kiel
  • Der Bug ist wie das Heck gerade ausgeführt, wobei der Bugsteven mitunter in einen Klüverbaum ausläuft.
  • Die Befestigung des Bugs und des Hecks an der Kielplanke / dem Kiel erfolgt über ein natürlich gewachsenes (und nachbearbeitetes) Krummholz, das sogenannte „Stevenknie“
  • Die Planken schließen bündig mit den Vorderkanten der Steven ab.
  • Am Heck befindet sich erstmalig eine zentrale Ruderpinne
  • die Decksplanken sollen lose aufgelegt und somit wasserdurchlässig gewesen sein und hochgenommen werden können, um Zugang zum darunter liegenden Laderaum zu haben (wie auch in der Antike bei kleineren Handelsschiffen im Mittelmeer üblich, wobei diese oft ganz offen waren und nur ein paar Laufplanken besaßen). Aber da irgendwann auch die festen Decks mit Ladeluken Einzug hielten, wird es wohl auch beides gegeben haben (nur private Vermutung!). Ausserdem kann ich mir lose Planken als Deck eines relativ großen Schiffes partout nicht als sehr praktisch vorstellen für diejenigen, die darauf laufen mussten, vielleicht noch bei schwerer See und sich verwindendem Schiff.
  • Für andere zur selben Zeit existierende Schiffstypen, die namentlich überliefert sind (z.B. Ewer, Kreyer, Dogger) hat übrigens bis jetzt scheinbar noch niemand versucht, ähnlich akademische Beschreibungsmerkmale zu finden....

    Fuer groesseres Bild klicken!Man nimmt an, dass sich dieser Schiffstyp im Frühmittelalter (also 9.-10.Jh) aus slawischen und nordischen Schiffstypen des Ostsee- und Nordseeraumes entwickelt hat und daher einige Merkmale dieser Schiffe übernahm. Aber auch an dieser Theorie gibt es auch Zweifel. Koggen waren der wichtigste große Schiffstyp der Hanse in Nordeuropa bis weit in das 14. Jh. hinein. Sie waren (nach bisher gemachten Funden) etwa 20-30m lang und 5-8m breit, die Segelfläche betrug bis etwa 200 m². Ihre Zuladung betrug 40-100 Lasten, nach heutigen Maßstäben 80-200 t. Der Name Kogge wurde aber eigentlich wohl erst für Schiffe mit einer Tragfähigkeit von über 90 Lasten verwendet, somit wäre genaugenommen die bekannte Bremer Vorbildkogge (ca. 40 Lasten) gar keine Kogge. Im Gegensatz zu früheren Annahmen waren die Segeleigenschaften sehr gut. Dazu trug ein besonderes Konstruktionsmerkmal bei, das aus der oben beschriebenen Bauweise hervorgeht. Die im unteren Rumpf sehr flach liegenden Planken waren ja vorne und am Heck nahezu senkrecht an die Steven angeschlossen, so dass sie vorn und hinten um 90° gedreht zur Mitte waren. Dadurch entstanden scharfe Kanten, die unter Fahrt das Schiff sehr gut im Wasser führten. Sie konnten dadurch trotz der einfachen Rahsegel fast vor dem Wind kreuzen und auch gegen den Wind fahren, was lange nicht für möglich gehalten wurde. Damit waren sie relativ unabhängig von der Windrichtung, was einen großen Vorteil für den Handel ergab, da fast jederzeit jedes Ziel angelaufen werden konnte. Weiterhin erlaubte der relativ flache Boden ein einfaches Trockenfallen bei Ebbe. Nachteilig war, dass zur Stabilisierung Ballast in der Bilge sein musste, da meist kein Kiel oder Schwert vorhanden war.

    Koggen wurden später mit Aufbauten am Bug und Heck, den sogenannten Kastellen, versehen. Sie waren notwendig, um beim Navigieren in unübersichtlichen Gewässern (z.B. schwedisches und norwegisches Schärengebiet) Aussichtsplattformen zu haben und sie dienten zur besseren Verteidigung bei Seeräuberüberfällen. Nicht alle Koggen besaßen aber z.B. ein Bugkastell. Koggen waren hochseetüchtig, wurden aber wegen der damals noch schwierigen Navigation ohne Kompass meist mit Sicht auf Land gesegelt. In der Sturmzeit im Herbst und Winter ruhte meistens die Schiffahrt, im 14. Jahrhundert gab es sogar direkt ein Winterfahrverbot. Sie konnten auch bewaffnet werden, wenn die Hansestädte im Krieg waren bzw. die Zeiten durch Krieg und Seeräuberei unsicher waren. So wie die Entwicklung der Waffentechnik vorankam, entwickelte sich auch die Bewaffnung der Koggen. Von Wurfmaschinen über Pfeilschleudern ging es zur Ausrüstung mit allen gängigen Feuerwaffen, so wie sich die Waffentechnik entwickelte.Fuer groesseres Bild klicken!

    Ab dem 14.Jh. wurden die Koggen durch eine größere, mehrmastige Ausführung, die „Holk“, abgelöst, die etwas später durch nur noch glatt beplankte Schiffe, die „Kraweel“ , ersetzt wurden. Häufig wurde die Bezeichnung Kogge später dann auch auf diese mehrmastigen Schiffe angewendet. Die Schiffe um das Jahr 1400, also z.B. die Zeit des bekannten Seeräubers Störtebecker, waren meist schon keine Koggen mehr, da sie mindestens Zweimaster, aber auch schon Dreimaster waren.

    Das Modell einer Kogge von Zvesda

    Zvesda brachte 2005 einen Schiffsbausatz aus Plastik heraus, der im Maßstab 1:72 sein soll und sich „Hansa Kogge“ nennt. Sehr viele sauber gespritzte Teile finden sich in dem großen Karton. Viele der in der Beschreibung genannten Merkmale einer Kogge sind gut wiedergegeben, einiges ist anders. Der Rumpf ist komplett in Klinkerausführung gehalten, ein Heck- und Bugkastell sind vorhanden, wobei das Bugkastell auch weggelassen werden könnte. Mich stört etwas, dass ein deutlich sichtbarer Kielbalken vorhanden ist, das verstößt zumindest gegen eines der Hauptmerkmale einer Kogge, nämlich den flachen Boden ohne Kiel. Aber es gab das wohl doch so wie die jüngere Forschung feststellte. Ausserdem ist eine Ladeluke auf dem Vorderdeck vorhanden. Wie die Theorie besagt, hatten Koggen lose aufliegende Planken wie Schiffe nordischen Typs, die dann zur Be- und Entladung entfernt wurden. Aber wirklich bewiesen und allgemeingültig ist das wohl letztlich nicht, und irgendwann kam man auch auf den Trichter, dass es in den rauheren und feuchteren nördlichen Gewässern durchaus Sinn machte, das Deck etwas dichter zu schließen. Wann dieser Zeitpunkt konkret gekommen war, ist übrigens wissenschaftlich auch noch nicht geklärt. Somit halte ich dieses Detail zumindest für mal nicht unmöglich. Ein dummer Fehler ist in meinen Augen, dass die zur Versteifung der Bordwand eigentlich auf den durch die Bordwand hindurch ragenden Hauptspanten aufsitzenden Kniehölzer nicht dort sitzen, sondern stark dazu versetzt. Aber wer es nicht weiss, wird es auch nicht sehen..... Das Schiff ist ca. 42 cm lang und 13,5 cm breit, stellt also somit mit einer umgerechneten Länge von 30 m und einer Breite von ca. 10 m eine relativ große Kogge aus vielleicht der Zeit von 1200 - 1400 dar.

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    Nun hat Zvesda ja bekanntlich die dumme Angewohnheit, auf alles Maßstab 1:72 zu schreiben, was für ihre 28mm Rollenspielfiguren gedacht ist (was eher 1:64 entspricht). Diese sind natürlich ca. 10% größer als die eigentlichen 1:72 Figuren, die in der 25 mm Größe gehalten sind. In diesem Modell-Fall macht das sich aber eigentlich nicht weiter negativ bemerkbar, da die Abmessungen wie gesagt für eine große Kogge in Ordnung gehen und auch sonst die Teile alle relativ gut zum Maßstab 1:72 passen, bis auf eine Ausnahme, die ich in dem Ankerspill sehe. Das Ankerspill ist relativ groß geraten, selbst 28 mm Figuren müssten, um es zu drehen, ziemlich hoch greifen. Daher habe ich es um 5 mm gekürzt, so dass 25 mm Figuren die Spaken gut vor der Brust haben. Ich habe allerdings die Spaken entfernt und in einen Halter getan, damit die Seeleute durch sie nicht bei ihrer Arbeit behindert werden.

    Fuer groesseres Bild klicken!Die Bemalung ist für 3 verschiedene Städte der Hanse vorgesehen. Man hat die Wahl zwischen Hamburg, Lübeck und Rostock. Auf der Verpackung ist allerdings ein Schiff in den Farben der Stadt Elbing (heute die polnische Stadt Elblag, östlich von Danzig) dargestellt. Die Bauanleitung hat jedoch einen Fehler, die Flaggen von Lübeck und Rostock wurden vertauscht. Das Modell kann als „Waterline“ Modell oder Vollrumpfmodell gebaut werden. Vermisst habe ich ein Beiboot und ein etwas detaillierteres Decksleben, vielleicht inklusive eines Hebebaums als Ladekran, denn normalerweise gab es so etwas an Bord von Handelsschiffen, egal in welcher Epoche.

    Das Segel ist etwas dick aus Spritzguss und kann gesetzt oder gerefft dargestellt werden. Bei entsprechender Bemalung und Alterung sieht es aber meiner Meinung nach sehr gut aus und ist realistischer, als ein Stoffsegel, dass nie einen maßstäblichen Faltenwurf oder eine Blähung wie bei Wind annehmen wird.

    Schön gemacht ist das „Bratspill“ zum Setzen des Segels vor dem Achterkastell . Da das Deck sehr leer wirkte, beschloss ich einiges an Ladung auf dem Deck zu verstauen. Dazu wurde von Artitec ein Zurüstsatz „Altes Schiffsladegut“ in 1:87 verwendet und verschiedene Spielzeugmodelle von Autos wurden um ihre Ladung erleichtert. Auch die „Grabbelkiste“ gab noch einiges her.

    Fuer groesseres Bild klicken!Ausserdem befinden sich noch 18 Figuren auf dem Schiff. Diese wurden aus den diversesten Figurensets zusammengesucht. Das sehr schöne Figurenset von Hecker und Goros für die Kogge fand auch Verwendung. Dazu kamen diverse Zinnfiguren aus Mittelaltersets von Fine Scale Factory (Herolde und Adelige) sowie aus dem Tournierset von Italeri. Auch aus einem Set mit Figuren mit schottischen Kämpfern (Strelets) konnten ein paar nach geringfügigen Umbauten verwendet werde, unter anderem der, der kühn sein Geschäft ausserhalb der Bordwand verrichtet. Die beiliegenden Papierflaggen ersetzte ich durch auf dicke Alufolie aufgezogene Abziehbilder, die aus Kopien der Flaggen entstanden und brachte sie etwas anders an. Aus einem anderen Schiffsmodell stammt das Beiboot, wobei Zvesda inzwischen auch selber eines als separaten Bausatz herausgebracht hat.

    Zum Schluss setzte ich das Schiff auf eine Wasserflächenimitation aus einer bemalten Styroporplatte mit Silikon, die als ein erster Versuch so ganz akzeptabel geworden ist.

    Literatur:

    Wikipedia (falls man das als Literaturquelle so angeben kann)

    Zeitschrift Modell Werft, Verlag für Technik und Handwerk, Heft 9/2005 und Heft 10/2005, Artikel von Klaus Lingenauber über Bau eines Koggenmodells

    Zeitschrift Antike Welt, Verlag Phillip von Zabern, Heft 1/2006, Artikel von Tim Weski "Wurde wirklich eine Kogge gefunden?"